Preise erhöhen ohne Kunden zu verlieren: 5 Tipps für Solo-Selbstständige
Das Wort „Preiserhöhung” aussprechen. Schon dabei wird es eng. Die Augen werden groß, die Schultern ziehen sich hoch, der Körper macht sich klein.
Diese körperliche Reaktion kenne ich von fast jedem Solopreneur, mit dem ich arbeite. Bei Therapeuten, Coaches, Freelancer, Berater, sobald das Thema Preise erhöhen aufkommt, schaltet das Nervensystem auf Alarm.
Warum? Weil Du als Solopreneur nicht nur den Preis einer Dienstleistung erhöhst. Du erhöhst den Preis für Dich selbst. Für Deine Zeit, Deine Expertise, Deinen Wert als Mensch.
Das macht Preiserhöhungen für Selbstständige zu einem zutiefst emotionalen Thema.
Aber es führt auch zu irrationalen Ängsten, die Dich davon abhalten, das zu verdienen, was Du wert bist.
Die irrationalen Ängste: Wenn schon 80 Euro zu viel erscheinen
„Was nehmen denn Deine Konkurrenten?”, frage ich den Psychotherapeuten, der mit 80 Euro pro Stunde zu mir ins Coaching kommt.
„In Berlin liegt der Durchschnitt bei 120 Euro", antwortet er.
„Womit rechtfertigst Du denn Deinen geringeren Preis?"
Die Antworten, die dann kommen, sind immer dieselben:
„Ich habe noch nicht genug Erfahrung.”
„Ich brauche noch mehr Klienten.”
„Ich sollte noch eine weitere Ausbildung machen.”
„Die Leute können sich nicht mehr leisten.”
Das sind Ausreden. Dahinter stehen drei fundamentale Ängste:
Die Existenzangst: Wenn alle Kunden absagen, steht die gesamte Existenz auf dem Spiel
Die Angst vor Ablehnung: Ein „Nein” zu Deinem Preis fühlt sich wie ein „Nein" zu Dir als Person an
Die Angst, nicht gut genug zu sein: Der heimliche Zweifel, ob Du den höheren Preis überhaupt verdienst
Diese Ängste sind verständlich. Als Selbstständiger bist Du projektbasiert und von Deinen Kunden abhängig. Keine Kunden bedeutet kein Geld. Das macht verletzlich.
Aber diese Verletzlichkeit führt zu einem Teufelskreis: Du verlangst zu wenig, arbeitest mit unterbezahlten Kunden und fühlst Dich noch schlechter. Das bestärkt Dich darin, dass Du „nicht mehr wert” bist.
Die zwei Wendepunkte: Wann Menschen bereit für Preiserhöhungen werden
In meiner Coaching-Praxis sehe ich zwei klare Situationen, in denen Solopreneure plötzlich bereit sind, ihre Preise zu erhöhen:
Wendepunkt 1: Der Leidensdruck wird zu groß
Du arbeitest 60 Stunden die Woche für 40-Stunden-Gehalt. Du nimmst jeden Auftrag an, auch die, die Dir keinen Spaß machen. Du merkst: Mit unterbezahlten Kunden zu arbeiten ist schmerzhafter geworden als die Angst vor Preiserhöhungen.
Das ist der Punkt, wo aus der Angst vor Preiserhöhung Wut über zu niedrige Preise wird.
Wendepunkt 2: Die gesunde Wachstumsmotivation
Du hast einen gesunden Selbstwert entwickelt und möchtest aufs nächste Level. Du willst mehr erreichen, einen höheren Standard und mehr Selbstwirksamkeit. Du erkennst: Wer mehr Geld hat, hat mehr Ressourcen und Mittel, um Größeres zu bewirken.
Dieser Wendepunkt ist der nachhaltigere der beiden.
Die Frage ist: An welchem Punkt stehst Du gerade? Und bist Du ehrlich mit Dir selbst über den Unterschied zwischen „Ich kann meine Preise nicht erhöhen" und „Ich will meine Preise nicht erhöhen"?
Neukunden vs. Bestandskunden: Zwei verschiedene Spiele
Bevor wir zu den konkreten Strategien kommen, ein wichtiger Unterschied:
Bei Neukunden ist es einfacher
Neukunden kennen Deinen alten Preis nicht. Du gehst mit einem gesetzten Preis ins Gespräch – 150 Euro die Stunde statt 80 Euro. Punkt. Du bekommst schnell Feedback, ob der Markt das annimmt oder nicht.
Bei Bestandskunden wird es zur Verhandlung
Hier musst Du die Preiserhöhung ankündigen und durchsetzen. Das erfordert Kommunikation, Fingerspitzengefühl und eine klare Strategie.
Aber in beiden Fällen gilt: Mache vorher eine ehrliche Kostenrechnung.
Wenn Du Deine Preise um 30% erhöhst, brauchst Du 30% weniger Kunden für denselben Umsatz. Bei 100 Kunden wären das nur noch 70. Ist das verkraftbar? Meist ist die Antwort: Ja, absolut.
Diese Rechnung nimmt den emotionalen Druck raus und macht die Entscheidung rational.
Die Kommunikations-Strategie: Ehrlichkeit schlägt Ausreden
Timing: 1-3 Monate Vorlaufzeit
Preiserhöhungen, die radikal und schnell kommen, führen zu Widerstand. Ein Zeitraum von ein bis drei Monaten funktioniert in der Praxis am besten.
Format: Das persönliche Gespräch
Als Selbstständiger baust Du auf intime, gute Kundenkontakte. Deshalb ist das persönliche Gespräch immer die beste Wahl. Nur wenn Du einen sehr großen Kundenstamm über digitale Produkte hast, solltest Du auf E-Mail oder Brief ausweichen.
Begründung: Ehrlichkeit währt am längsten
Vergiss Inflation als Begründung. Die Frage ist: Was sind Deine internen Beweggründe?
Die beste Begründung: Gestiegene Qualität und damit ein gestiegener Marktwert. Du hast Dich weiterentwickelt, neue Erfahrungen gesammelt, Dein Angebot verbessert.
Ein extremes Beispiel: Ein Freelancer sagte seinen Kunden ehrlich: „Ich möchte reich werden, ich möchte mehr Geld verdienen.” Klingt hart? Einige Kunden sind gegangen, aber andere schätzten seine Ehrlichkeit und blieben.
Ich rate nicht zu solchen extremen Ansätzen, aber der Punkt ist: Ehrlichkeit währt am längsten. Gerade in einem werteorientierten Business solltest Du so nah wie möglich an der Wahrheit bleiben.
Umgang mit Widerstand: Wenn Kunden „Nein” sagen
Kläre vorab Deine Position
Bevor Du in die Verhandlung gehst, frage Dich:
Gibt es einen Verhandlungsrahmen oder ist der Preis gesetzt?
Was ist Dein Minimumpreis, unter den Du nicht gehst?
Bist Du bereit, den Kunden zu verlieren?
Die Konditionen-Verhandlung
Wenn jemand sagt „Das kann ich mir nicht leisten”, kannst Du an den Konditionen drehen:
„Okay, dann zahlen wir 15% statt 30% Aufschlag, aber dafür gibt es zwei Stunden weniger Betreuung pro Monat.”
Wichtig: Das ist keine Bestrafung, sondern der Versuch, gemeinsam eine Mitte zu finden.
Schwierige Kunden als Geschenk
Wenn ein Kunde emotional oder wütend wird, vorwurfsvoll oder beleidigend, dann freue Dich. Solche Reaktionen zeigen Dir, dass das nicht der richtige Kunde war. Es trennt sich die Spreu vom Weizen.
Du willst erwachsene Geschäftsbeziehungen mit Menschen, die Deinen Wert schätzen.
Follow-up bei verlorenen Kunden
Wenn ein Kunde höflich absagt und es sich einfach nicht leisten kann, halte den Kontakt. Setze Dir einen Reminder und schreibe nach ein paar Monaten eine freundliche E-Mail. Teile vielleicht sogar einen kostenlosen Tipp mit – bleibe positiv in Erinnerung.
Die finanzielle Situation von Menschen ändert sich. Aus einem „Nein” heute kann in sechs Monaten ein „Ja” werden.
5 Tipps für erfolgreiche Preiserhöhungen
1. Beginne bei Neukunden
Teste höhere Preise erst bei neuen Kunden, bevor Du bestehende Kundenbeziehungen riskierst. Das gibt Dir Sicherheit und Erfahrung im Umgang mit dem neuen Preisniveau.
2. Führe die Kostenrechnung durch
Kalkuliere konkret: Wie viele Kunden weniger brauchst Du bei x% Preiserhöhung? Meist ist das Ergebnis beruhigender als gedacht.
3. Plane schrittweise Erhöhungen
Statt sofort 30% mehr zu verlangen, biete an: „Meine Preise steigen in den nächsten sechs Monaten um 30%. Wir können gerne mit 10% pro Monat anfangen.” Das nimmt Druck raus.
4. Verkaufe den Mehrwert mit
Eine Preiserhöhung anzukündigen ist der perfekte Zeitpunkt, um zu erklären, was sich verbessert hat. Mache den gestiegenen Wert sichtbar und teile ihn mit:
Neue Qualifikationen, erweiterte Leistungen, mehr Erfahrung, etc.
5. Bleibe bei Widerstand ruhig
Emotional zu reagieren schadet nur. Höre zu, versuche zu verstehen und bleibe sachlich. Manchmal ist ein „Nein” des Kunden auch ein „Noch nicht” statt einem „Niemals”.
Häufige Fehler bei Preiserhöhungen
Fehler 1: Die Überraschungs-Erhöhung
Preiserhöhungen ohne Vorankündigung durchzusetzen zerstört Vertrauen. Kunden fühlen sich überrumpelt und betrogen. Auch wenn Du rechtlich dazu berechtigt bist – es ist schlechter Stil und schadet langfristig Deinem Ruf.
Fehler 2: Versteckte Preisanhebungen
Preiserhöhungen nicht klar zu benennen und stattdessen um den heißen Brei zu reden verwirrt Kunden. „Wir passen unsere Konditionen der Marktentwicklung an”… was soll das heißen? Sage klar: „Meine Stundensätze steigen um 20%.”
Fehler 3: Ausweichende Begründungen
Preisanhebungen nicht zu begründen oder nur vage zu erklären weckt Misstrauen. Noch schlechter: Sich hauptsächlich auf Wettbewerber zu berufen. „Alle anderen sind auch teurer geworden” ist schwach. Erkläre, was sich bei Dir verbessert hat.
Fehler 4: Sofortige Rabatt-Rücknahme
Den erhöhten Preis beim ersten Widerstand durch Rabatte wieder aufzuweichen zeigt, dass Du selbst nicht von Deinem Wert überzeugt bist. Kunden spüren das sofort. Wenn Du 30% mehr verlangst, stehe auch dahinter.
Fehler 5: Emotionale Reaktionen
Ungehalten auf kritische Rückmeldungen zu reagieren ist unprofessionell. Ein „Das ist mir zu teuer” ist legitimes Kundenfeedback, kein persönlicher Angriff. Bleibe sachlich und professionell, auch wenn es innerlich wehtut.
Fehler 6: Preiserhöhung ohne Mehrwert
Einfach mehr zu verlangen, ohne dass sich etwas verbessert hat, ist schwer zu rechtfertigen. Koppele Preiserhöhungen an echte Verbesserungen: neue Qualifikationen, erweiterte Leistungen, bessere Ergebnisse.
Fehler 7: Alle Kunden über einen Kamm scheren
Jeden Kunden gleich zu behandeln ignoriert die individuellen Geschäftsbeziehungen. Dein bester Langzeitkunde verdient eine andere Ansprache als der Neukunde von letzter Woche. Persönliche Beziehungen erfordern persönliche Kommunikation.
Preiserhöhung als Chance: Was danach passiert
Eine erfolgreich durchgesetzte Preiserhöhung verändert mehr als nur Deinen Kontostand. Sie verändert Deine Beziehung zu Dir selbst und zu Deinen Kunden.
Du wirst selbstbewusster. Wer einmal erfolgreich höhere Preise durchgesetzt hat, traut sich das auch in Zukunft zu.
Deine Kundschaft wird hochwertiger. Menschen, die bereit sind, mehr zu zahlen, schätzen oft auch Deine Arbeit mehr. Sie sind verbindlicher, respektvoller und angenehmer im Umgang.
Du kannst selektiver werden. Mit höheren Preisen brauchst Du weniger Kunden und kannst Dir aussuchen, mit wem Du arbeitest.
Dein Business wird nachhaltiger. Weniger Kunden bei höheren Preisen bedeutet mehr Zeit für Qualität statt Quantität.
Kurz und gut: Der Preis ist eine Botschaft
Deine Preise kommunizieren nicht nur, was Deine Leistung kostet. Sie kommunizieren, wie Du Dich selbst einschätzt, welchen Standard Du hast und welche Art von Kunden Du anziehen willst.
Niedrige Preise ziehen Menschen an, die vor allem sparen wollen. Diese Kunden werden immer schauen, wo sie noch günstiger wegkommen.
Angemessene Preise ziehen Menschen an, die Wert und Qualität schätzen. Diese Kunden investieren gerne in gute Leistungen und haben oft selbst ein professionelles Mindset.
Die Frage ist: Mit welcher Art von Kunden willst Du arbeiten?
Deine Preise sind nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung. Sie sind eine strategische Entscheidung über die Zukunft Deines Business und ein Statement über Deinen eigenen Wert.
Wenn Du bereit bist, dieses Statement zu machen, dann ist es Zeit für Deine nächste Preiserhöhung.
Häufig gestellte Fragen zur Preiserhöhung
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Das hängt von Deiner aktuellen Unterbewertung ab. Vergleiche ehrlich mit dem Marktdurchschnitt Deiner Branche – nicht mit den Billigsten, sondern mit etablierten Anbietern mit ähnlicher Qualifikation. Bei Solopreneuren sind 20-30% Erhöhungen oft realistisch und nötig. Wichtig ist die Kostenrechnung: Bei 30% höheren Preisen brauchst Du nur noch 70% Deiner aktuellen Kunden für denselben Umsatz. Das ist meist verkraftbar.
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Das persönliche Gespräch funktioniert am besten, mit 1-3 Monaten Vorlaufzeit. Vermeide Ausreden wie „Inflation" – erkläre stattdessen ehrlich Deine Weiterentwicklung: neue Qualifikationen, mehr Erfahrung, gestiegene Qualität. Wichtig ist die klare Benennung: „Meine Stundensätze steigen um 20%" statt vager Formulierungen wie „Anpassung der Konditionen”
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Das ist normal und sogar gewollt. Kunden, die nur wegen des niedrigen Preises da waren, sind selten die besten Kunden. Wenn jemand emotional oder vorwurfsvoll reagiert, zeigt das, dass die Geschäftsbeziehung nicht auf Augenhöhe war. Bei höflichen Absagen wegen finanzieller Engpässe kannst Du den Kontakt halten – die Situation kann sich in einigen Monaten ändern. Qualität der Kundenbeziehung ist wichtiger als Quantität.